
“Okay, can you hear me?” ertönt Nigels Stimme aus den dicken Kopfhörern, die ich gerade aufgesetzt habe. “Roger,” antworte ich übermütig in mein Mikrofon. Keine Ahnung, ob man das wirklich so sagt unter Piloten, aber egal – mein erster Heliflug! Und Rebeccas erster Flug überhaupt… Ich drehe mich im Sitz zu ihr um. Unsere Gästebetreuerin auf dem Rücksitz sieht plötzlich nicht mehr so sicher aus, wie noch vor zehn Minuten, als sie sich spontan für den Mitflug meldete. Ich lächle ihr zu und halte ermutigend den Daumen hoch. Zögernd erwidert sie die Geste. Sie bleibt sitzen, will es durchziehen.
Als ich gestern Nachmittag in der Mangofabrik stand, war ein Rundflug wohl das Letzte, was mir eingefallen wäre. Plötzlich streckte Christina von der Putzequipe den Kopf zur Tür hinein, lachte verlegen und rief: “am Strand ist ein Flugzeug angekommen!” Ein aufgeregtes Raunen ging durch die Arbeitsgruppen an den Tischinseln. Mangos schälen war kein Thema mehr. Aber Moment – ein Flugzeug, am Strand? Unmöglich, da kann man doch nicht landen. Während ich auf dem Kiesweg von der Fabrik zum Strand marschierte, machte ich mich auf alles gefasst.
Hinter den Dünen tauchte das mysteriöse “Flugzeug” schliesslich auf und mir wurde alles klar. Der Pilot des Helikopters hatte mich gesehen und kam winkend auf mich zu. Amüsiert über das Missverständnis mit Christina ging ich ihm entgegen, vorbei an der schnell wachsenden Menge von Dorfkindern, die aus sicherer Distanz zur Flugmaschine hinüberstarrten. “Kann man hier übernachten?” Beim Händedruck grinste mich der ältere Südafrikaner an; ihm war die Theatralik seines Auftritts sehr wohl bewusst. “Vielleicht,” antwortete ich schelmisch. “Kann man mit eurem Heli eine Runde fliegen?”
Später beim Abendessen erzählten uns Nigel und seine Frau Helen von ihrer Mission: sie waren am Niassa-See, um Krokodile zu zählen. Die Mosambikanische Naturschutzbehörde wollte wissen, wie viele Exemplare es in Niassa gebe. Und Wildtierbestände messen sei ihr Beruf, ob Elefantenherden, Löwenrudel oder eben Krokodile. Selten habe ich jemanden getroffen, der nach Jahrzehnten noch eine solche Begeisterung hat für seinen Job. Als Zweitklässler hätte ich vom Beruf “Helikopter-Krokodilzähler” geträumt. Nigel lebt den Traum noch heute.

Heute Morgen nach dem Frühstück war es dann soweit: “Also, wer kommt mit? Es hat drei Plätze.” Ich war sofort auf den Beinen und auch Fernando liess sich das nicht entgehen. Für den dritten Platz meldete sich niemand. “Andrew?” Unser Küchenchef machte grosse Augen und nahm einen Schritt zurück. Sein Blick machte klar, dass ihn keine zehn Pferde in die Nähe des Helis brächten. Da meldete sich Rebecca: “Ich komme mit.” Seit vielen Jahren kümmert sich Rebecca um die Gäste in unserer Lodge. Ihr Team nennt sie “Big Mama” – zu Recht, die Frau hat Mut.
Als wir über den Strand zum Heli gehen, scherzt Nigel: “I wish I had my own helicopter… Oh, wait – I do!” Und nun sitzen wir zu viert in der Kabine und der Rotor beginnt über uns zu drehen. Trotz den Kopfhörern ist der Propellerlärm plötzlich am ganzen Körper zu spüren. “Rebecca, alles okay?” funke ich ins Headset. “Ja, gehen wir.” Da hebt sich die Maschine wie von magischer Hand, kippt vorwärts und beschleunigt übers Schilf am Wasserrand über den See hinaus.