In den Dörfern am Niassa-See beginnt ein Gespräch erst, nachdem sich alle einzeln einen guten Morgen gewünscht haben. «Muauka buandschi?» Wie bist du aufgewacht? «Ndauka Buino.» Ich bin gut aufgewacht. So grüsse ich den Dorfchef – den «Regulo» – von Ngala. Daraufhin grüsst dieser meinen Mitarbeiter Gito, dieser wiederum die Frau des Regulos. Die Prozedur ist ungezwungen und gemächlich, wir haben Zeit. Mir soll es recht sein, denn mir bangt vor der Nachricht, die ich heute zu überbringen habe.
Auf blauen Plastikstühlen sitzen wir auf der Veranda vor dem Lehmhaus des Dorfchefs. Um 9 Uhr morgens ist es schon heiss, auch im Schatten des Strohdachs über uns. Ein Kind schubst mit einem Stock eine rollende Velofelge vorbei. Ein Huhn gesellt sich zu unserer Runde. Etwas abseits steht unser lädierter Geländewagen unter einem dürren Baum im Staub. Auf dem Weg nach Ngala ist er im Schritttempo über Berg und Tal geschaukelt wie ein Boot auf hoher See.
Als ich vor Jahren zum ersten Mal ein Treffen in Ngala arrangierte, war zur abgemachten Zeit niemand da. Mir wurde klar, dass den Leuten zu oft von Ausländern von grossartigen Projekten erzählt wurde, aus denen nie etwas wurde. Es würde Geduld brauchen, ihr Vertrauen zu gewinnen. Mittlerweile haben wir den Bauern aus Ngala aber unzählige Bananenbüschel abgekauft und unsere Versprechen eingehalten. Das zahlt sich nun aus: der Regulo und seine anwesenden Berater sind interessiert an unserem geplanten Anbauzentrum.
Im fruchtbaren Tal des Flusses Meluluca bauen die Menschen der umliegenden Dörfer in kleinen Feldern ihre Lebensgrundlage an: Mais, Maniok, Süsskartoffeln. Auf der metertiefen Humusschicht des uralten Schwemmlands schiessen die Pflanzen nur so in die Höhe. Von hier kommen auch die feinen Cabuto Bananen. Im neuen Anbauzentrum sollen den Bauern Ausrüstung und Ressourcen zur Verfügung stehen, um ihren Produktion zu optimieren.
Für unser Vorhaben mussten wir einen staatlichen Landtitel beantragen. Der Chef des Grundbuchamts der Provinz Niassa kümmerte sich gerne persönlich um unser Anliegen. Einmal durfte ich ihm sogar zwei Kanister Benzin für sein Auto spendieren, als dankbare Geste für die gute Zusammenarbeit. Bei meinem letzten Besuch auf seinem Amt kam dann aber die unerwartete Nachricht: unser Antrag wurde abgelehnt. Leider sei das Land schon vergeben.
An wen denn, fragte ich? Wir haben uns doch mit den lokalen Bauern geeinigt, die kleine Parzelle benützen zu dürfen? Er schaute mich mitleidig an und breitete eine Landkarte vor mir aus, die übersät war von bunten, rechteckigen Markierungen. «Bergbaukonzessionen. Es gibt viele Bodenschätze in der Region.» Das ganze Meluluca-Tal und das Land weit darüber hinaus – alles vergeben an ausländische Bergbaufirmen. Ob auf dem Land ihrer Ahnen jemals Bergwerke eröffnet werden, ist offen. Jedenfalls haben die Menschen, die dort leben und ihre Felder betreiben, keine Ahnung davon.
Beim Regulo von Ngala haben wir uns mittlerweile alle begrüsst und ich beginne das Gespräch: «Herzlichen Dank an den Regulo und alle Anwesenden für die Audienz.» Während Gito übersetzt, bin ich kurz abgelenkt durch den bizarren Anblick eines Jungen, der neben dem Haus ein Huhn köpft. Das Mittagessen wird vorbereitet… Ich reisse mich davon los und konzentriere mich aufs Gespräch. Zögernd komme ich zum Punkt: Leider hat die Regierung unseren Antrag auf den Landtitel abgelehnt. Der Regulo ist sichtlich enttäuscht, fragt aber nicht nach dem Grund der Ablehnung. Ich bringe es nicht über mich, ihm vom bunten Parzellenplan zu erzählen.