Wir sahen die dunkeln Rauchwolken schon am Nachmittag ĂŒber dem See aufkommen. Weit draussen ĂŒber dem Wasser, als hĂ€tte ein Ăltanker Feuer gefangen. Doch es ist kein Rauch, sondern eine einzigartige Naturgewalt am Niassa-See: SchwĂ€rme von âUkunguâ Fliegen, geschlĂŒpft aus Larven, die auf dem Wasser treiben. Bedrohlich tĂŒrmen sie sich auf und werden vom Wind ĂŒber den See getragen, bis sie das Ufer erreichen. Vom Strand aus beobachten wir, wie eine kolossale Wolke weiter sĂŒdlich an Land driftet. âStell dir vor, du bist jetzt dortâŠâ

SpĂ€ter sitzen wir beim Znacht auf der Veranda. Es ist schon dunkel und wie immer schwirren ein paar winzige Flieglein um die GlĂŒhbirnen herum, alles normal. Heute sind es ein paar mehr, aber das stört ja nicht. Eines landet in meiner Suppe. Es kitzelt mich etwas im Gesicht, aber im schummrigen Licht sehe ich die Viecher nicht, einfach ignorieren. âHabt ihr die Geckos gesehen?â Mindestens ein Dutzend der spreizfingrigen kleinen Echsen haben sich an der Wand bei den Lampen aufgestellt, scheinbar in Erwartung eines Festmals. Und tatsĂ€chlich, die Flieglein werden immer mehr.
Warum mĂŒssen die Dinger ausgerechnet ins Licht fliegen? Ich habe einmal gelesen, dass es Motten ans Licht zieht, weil sie es fĂŒr die Sonne halten und sich daran zu orientieren versuchen. Wir haben hier weit und breit die einzigen Lampen, kein Wunder, kommen die See-Fliegen zu uns! In meinem Geist entwickeln sich schon PlĂ€ne fĂŒr eine Ukungu-Superfalle mit einem Scheinwerfer, Staubsauger und Antibrumm-Tank.
Langsam sieht mein weisser Tellerrand aus, als hĂ€tte ich mit der PfeffermĂŒhle schlecht gezielt. Mein innerer Abenteurerstolz meldet sich. Wir sind schliesslich in Afrika, haben schon ganz anderes erlebt, ein paar Fliegen werden mich nicht aus der Ruhe bringen. Aber es kitzelt immer mehr.. âKommt, wir löschen mal alle Lampen ausser der in der Ecke.â Jetzt sehe ich mein Essen zwar kaum mehr, aber vielleicht ist das auch besser so.
Kurz darauf sitzen wir in einem regelrechten Ukungu-Schneesturm. Von Essen ist keine Rede mehr, ich ziehe mein T-Shirt ĂŒbers Gesicht, damit ich noch atmen kann. Da stĂŒrmt unser Koch Andrew aus der KĂŒche, in der Hand ein grosses Plastikbecken. Damit stellt er sich mitten in die dichteste Insektenwolke unter dem einzigen Licht und schwingt den KĂŒbel in einer grossen Acht durch die Luft, um die Ukungus einzufangen! âAndrew, was machst du?!â âDas ist Essen!â Jetzt ist er endgĂŒltig durchgeknallt.
Ich fliehe Hals ĂŒber Kopf in mein Haus. Nur ja nicht das Licht anmachen. Dennoch sind die Fliegen ĂŒberall, sie sind so klein, dass sie sogar durch die MĂŒckennetze durchkommen. Wieder sehe ich Andrew vor mir, von Fliegen dick eingenebelt, eine Hand vor Augen und Nase gepresst, mit der anderen wild sein Becken um sich schwingendâŠ
Am nĂ€chsten Morgen könnten wir einen Schneepflug brauchen. Ăberall Unmengen von winzigen toten Eintagsfliegen. Auf der Veranda wischt Rosa eine knöcheltiefe Schicht zusammen. Wie Schneewehen hĂ€ufen sie sich am Fuss der HauswĂ€nde. âAndrew, was hast du gestern mit dem Becken gemacht?â âIch habe eine Riesenmenge erwischt! Jetzt trockne ich sie, dann werden sie zusammengepresst und gebraten. Wie Hamburger!â